Der Wohlstand unserer Industriegesellschaft basiert seit 250 Jahren auf der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas. Dadurch erhöht sich die Erdtemperatur und bedroht unsere heutige Lebensweise. Daher müssen wir innerhalb von zwei Jahrzehnten unsere Gesellschaft und Wirtschaft klimaneutral umgestalten.
Die gute Nachricht ist, dass wir die Mittel und das Wissen haben, um diese Veränderung zu bewerkstelligen. Technologien wie Windkraft, Solarenergie, Bioenergie, Wasserstoffproduktion, Energiespeicher und Wärmenetze ermöglichen es uns, den CO2-Ausstoß auf null zu reduzieren und somit das Klima zu schützen. Gleichzeitig eröffnet diese Umstellung neue wirtschaftliche Chancen für Deutschland und schafft hunderttausende qualitativ hochwertige Arbeitsplätze.
Nach vielen Jahren der Diskussion über Klimaschutz und abstrakte Reduktionsziele ist diese Debatte nun abgeschlossen. Die planetaren Grenzen sind eindeutig und Deutschland hat sich gesetzlich dazu verpflichtet, seine Reduktionsziele einzuhalten. Nun geht es darum, herauszufinden, wie wir diese Ziele erreichen können.
Klimaschutz sozial gerecht planen und umsetzen
Für die Sozialdemokratie ist es entscheidend, den Weg zur CO2-Reduktion sozial gerecht abzusichern und im Rahmen einer industriepolitischen Strategie zu planen. Deshalb formulieren wir unsere Klimapolitik nicht abstrakt, sondern orientieren uns an den unterschiedlichen sozialen Situationen der Menschen. Wir verpflichten uns zu einer Politik, die für alle Menschen funktioniert und die Gesellschaft nicht in Gewinner und Verlierer der Veränderungen spaltet.
Ein Beispiel: Eine Stahlarbeiterin, die täglich 60 Kilometer mit dem Diesel-Auto aus einem Dorf zur Arbeit pendelt, ist von den bevorstehenden Veränderungen deutlich stärker betroffen als ein Gymnasiallehrer, der in der Großstadt wohnt und mit dem Fahrrad die drei Kilometer zur Schule fährt. Unsere politischen Lösungen müssen jedoch für beide funktionieren.
Klimaschutz ermöglichen statt ihn zu verordnen
Daraus ergibt sich eine grundlegende Entscheidung: Unser Weg zur Klimaneutralität führt weder über staatlich verordnete Preiserhöhungen noch über Verbote. Sowohl Preiserhöhungen als auch Verbote führen zu sozialen Ungerechtigkeiten, da sie Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen unterschiedlich stark belasten. Auch die besten Subventionen oder Förderungen können dies nicht vollständig ausgleichen.
Für uns bedeutet das: Bevor wir bestehendes Verhalten verbieten oder durch steigende CO2-Preise teurer machen, müssen wir zuerst bessere Alternativen schaffen. Konkret heißt das: Erst wenn wir ein neues Wärmenetz aufgebaut haben, verbieten wir die Nutzung von Öl- oder Gasheizungen. Und Parkplätze in der Stadt können erst wegfallen, wenn der Ausbau von Bus- und Bahnverbindungen so weit fortgeschritten ist, dass alle Menschen mobil bleiben können.
Diese sozialdemokratische Klimapolitik basiert auf dem Prinzip der Ermöglichung. Dafür müssen wir viele neue Infrastrukturen schaffen. Dies ist die kostengünstigste und beste Möglichkeit, um allen Menschen ein klimaneutrales Leben zu ermöglichen. Bereits vor langer Zeit haben wir uns als Gesellschaft dafür entschieden, dass nicht jeder Haushalt einen eigenen Brunnen graben muss, um an frisches Wasser zu gelangen. Stattdessen haben wir Leitungen verlegt und bringen gutes Trinkwasser in die Haushalte. Dies ist eine öffentliche Infrastruktur, die wir gemeinsam geschaffen haben.
Genauso sollten wir bei der Wärmewende vorgehen. Anstatt von allen Menschen zu verlangen, dass sie sich eine eigene Wärmepumpe kaufen und ihr Haus dämmen, bauen wir ein Wärmenetz mit einer klimaneutralen Wärmequelle. Das Netz bringt warmes Wasser mit Leitungen in die Häuser, um den Menschen klimaneutrales Heizen zu ermöglichen.
Klimaschutz braucht starke öffentliche Infrastrukturen
Unsere Politik hat eine klare Botschaft: Es liegt nicht in deiner Verantwortung, dich selbst klimaneutral zu machen. Das schaffen wir gemeinsam als Gemeinschaft. Klimaschutz ist keine Frage des Lebensstils und schon gar kein individuelles Problem, bei dem Menschen allein gelassen werden dürfen. Als Sozialdemokratie sind wir stets dem Grundsatz gefolgt, dass große Probleme nur gemeinsam gelöst werden können. Für eine gute Bildung haben wir ein öffentliches Schulsystem ausgebaut. Frühkindliche Bildung und Betreuung organisieren wir in Kitas. Um die Sicherheit der Menschen zu gewährleisten, stellen wir Polizistinnen und Polizisten ein. Und im Falle eines Brandes kommt die Feuerwehr. All das kann auch privat organisiert werden, aber letztendlich führt es nicht zu einer Gesellschaft, in der alle Menschen auf gleicher Augenhöhe und in gleicher Freiheit zusammenleben.
Das Gelingen des klimaneutralen Umbaus unserer Gesellschaft hängt davon ab, dass wir alle kommenden Aufgaben gemeinsam bewältigen. Dafür benötigen wir einen handlungsfähigen Staat, der in der Lage ist, neue große Infrastrukturen zu bauen und neue Institutionen wie Infrastrukturgesellschaften zu gründen. Historisch gesehen wurden alle großen Fortschritte in Deutschland durch gemeinschaftliches Handeln erreicht. Das gilt für die Elektrifizierung, den Bau von Straßen, Brücken oder Kanälen sowie den Ausbau von Telefonleitungen, Postsystemen oder Glasfaserkabeln. Diese Lehren sollten wir heute anwenden.
Klimaschutz muss gemeinsam finanziert werden
Diese Investitionen kosten viel Geld. Als SPD ist unser Vorschlag, diese Kosten über einen Transformations-Soli zu finanzieren. Das Prinzip gleicht dem Solidaritätszuschlag nach der Deutschen Einheit. Eine zeitlich begrenzte Einnahme für eine zeitliche begrenzte Aufgabe. Damit zeigen wir, dass es die Aufgabe dieser Generation ist, den Weg Richtung Klimaneutralität zu gehen. Das ist eine ähnlich große Aufgabe wie der Aufbau Ost und muss sozial gerecht finanziert werden.
Es wird aber auch Kredite brauchen. Die Diskussion um schuldenfinanzierten Klimaschutz wird sehr verkürzt geführt. Die Gegner einer Kreditaufnahme erwecken den Eindruck, dass es um staatliche Schulden oder private Investitionen geht. Das stimmt nicht. Wer sagt, dass der Staat keine Schulden machen soll, um beispielsweise öffentliche Wärmenetze zu bauen. Der sagt damit auch: Er möchte, dass sich stattdessen die Hausbesitzer verschulden, um Wärmepumpen und Dämmung zu finanzieren. Dasselbe gilt für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft. Wenn wir dafür nicht massive öffentliche Mittel investieren, müssen sich Unternehmen hoch verschulden.
Aus einer Gesamtperspektive ist es die günstigste und gerechteste Finanzierung der Transformation, wenn die öffentliche Hand in die Verantwortung geht und die Kosten je nach Leistungsfähigkeit gerecht auf alle verteilt.
Klimaschutz bietet große Chancen
Wir wollen einen Transformationsfond (TraFo.SH) einrichten, der die erforderlichen öffentlichen Investitionen durch Land und Kommunen zur Erreichung der Klimaziele absichert. Als Sondervermögen wird das Geld langfristig zur Finanzierung neuer Infrastrukturen zur Verfügung stehen. Aus diesem Sondervermögen wird auch eine Landesinfrastrukturgesellschaft kapitalisiert, die privatwirtschaftlich lohnende Investitionen finanziert und eigene Fremdfinanzierung mobilisieren kann.
Der Fonds schafft über Jahre Investitionssicherheit und garantiert, dass Fördermittel der EU und des Bundes kofinanziert werden können. Als Ergebnis holen wir mehr Geld in den Norden und stärken unsere Wirtschaftskraft. Zudem haben wir mit den zusätzlichen Mitteln eine realistische Chance, unsere Klimaziele wirklich einzuhalten. Aktuell reißen wir sie jedes Jahr. Und wir sorgen mit dem Fonds für gesellschaftlichen Zusammenhalt, weil so wirklich alle Menschen unabhängig vom Geldbeutel klimaneutral werden können. Der Wandel wird dadurch sozial gestaltet.
Mit Blick auf das Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts und angesichts der Energiekrise in Folge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine sind im Rahmen der in der Landesverfassung festgelegten Notfallklausel Kredite außerhalb der Schuldenbremse möglich. Im November 2022 haben wir im Landtag mit den Stimmen von CDU, Grünen, SPD und SSW einen Notkredit in Höhe von einer Milliarde Euro aufgenommen, der auch Ausgaben für Klimaschutz enthält. All das zeigt, die Zeit ist reif.
Als SPD-Fraktion werden wir unser Konzept eines TraFo.SH mit den Akteuren im Land in den kommenden Monaten beraten und verfeinern und die ersten Kostenschätzungen überprüfen und dann im Jahr 2023 in den Landtag einbringen.